Brohltal / AW-Kreis. Seit rund vier Wochen sind die Schreckensbilder aus der Ukraine rund um die Uhr in den Medien. Die Menschen im Kreis Ahrweiler fühlen mit den Menschen mit, die ihr Zuhause nicht verlassen möchten oder können, genauso wie mit den Menschen, denen die Flucht gelungen ist, die jetzt vor dem Nichts stehen und um ihre Familien in der Ukraine bangen müssen.
Die Solidarität, die so viele Menschen im Kreis Ahrweiler zeigen, ist außergewöhnlich und bemerkenswert. Zahlreiche Menschen aus unserer Region sind selbst schwer von den Folgen der Flutkatastrophe betroffen, auch für sie ist ein „normaler“ Alltag noch in weiter Ferne. Dennoch möchten viele von ihnen jetzt andere unterstützen und die Hilfe, die ihnen zuteilwurde, weitergeben. Das gilt besonders für Menschen, die Familienmitglieder aus der Ukraine in ihren Haushalt aufnehmen möchten.
Der Kreis Ahrweiler und die Städte Bad Neuenahr-Ahrweiler, Remagen und Sinzig, die Verbandsgemeinden Adenau, Altenahr, Bad Breisig und Brohltal sowie die Gemeinde Grafschaft unterstützen dieses Engagement. „Besteht im Rahmen familiärer Bindungen die Möglichkeit, Flüchtlinge aus der Ukraine im eigenen Haushalt aufzunehmen und diese im Idealfall mithilfe von entsprechenden Sprachkenntnissen zu betreuen, werden Land, Kreis und Kommunen dies abweichend von den bestehenden Landesregelungen zum Aussetzen der Fluchtaufnahme ermöglichen. Darauf habe ich mich im Gespräch mit Staatssekretär David Profit vom zuständigen Ministerium für Familie, Frauen, Kultur und Integration geeinigt“, sagt Landrätin Cornelia Weigand.
Gleichzeitig appellieren die Landrätin und die hauptamtlichen Bürgermeister: „Wer aufnimmt, muss sich klarmachen: Die Menschen, die uns erreichen, haben oft furchtbare Dinge gesehen und erlebt. Sie sind oftmals erschöpft, haben körperliches und seelisches Leid erfahren, sind traumatisiert, haben ihre Heimat und geliebte Menschen verloren. Jetzt sind sie in einem fremden Land, sprechen die Sprache meist nicht und wissen nicht, was auf sie zukommt. In dieser humanitären Notlage fühlen sich viele Menschen verpflichtet zu helfen.
Zu dieser Hilfe gehört aber weitaus mehr, als die bloße Erstversorgung. Wer im Landkreis aufgenommen wird, wird dies bis zur Rückkehr in die Ukraine dauerhaft. Derzeit ist nicht absehbar, ob diese Menschen eine längerfristige Unterstützung benötigen. Vor Aufnahme muss daher geprüft werden, ob die Geflüchteten vor Ort einen geregelten Alltag leben können. Dazu gehören unter anderem geeignete Rückzugsmöglichkeiten, die Teilnahme an Sprachkursen, eine Beschäftigung, bei Kindern der Kita- und der Schulbesuch sowie gegebenenfalls eine psychosoziale Unterstützung durch Fachpersonal. Vieles davon kann der Kreis Ahrweiler derzeit nicht leisten, da die entsprechenden Kapazitäten aufgrund der Auswirkungen der Flutkatastrophe erschöpft sind. Das Land Rheinland-Pfalz hat aus diesem Grund bereits im Sommer des letzten Jahres einen Verteilstopp für Flüchtlinge im Kreis Ahrweiler erlassen und diesen jüngst nochmals bekräftigt.“
So sind durch die Flut alleine zehn Kitas mit mehr als 800 Plätzen und sieben der 13 Kreisschulen stark beschädigt oder aber zerstört worden, sodass in vielen Fällen die Betreuung und der Unterricht nur in Provisorien möglich ist. Mehr als 5.900 Schülerinnen und Schüler (rund 75 Prozent der Schülerschaft in Kreisschulen) sind hiervon betroffen. Und es gibt Wartelisten für einen Kitaplatz im gesamten Kreis. „Wir können den ukrainischen Kindern und Jugendlichen, die hier schulpflichtig oder aber schulberechtigt sind, keine reelle Perspektive bieten, so gerne wir das auch möchten. Es fehlt uns an Platz, Personal und Unterstützung, zum Beispiel durch Dolmetscher und Psychologen. Am Ende sind die Geflüchteten die Leidtragenden“, betont Weigand.
Auch im Hinblick auf die seelische Gesundheit ist das noch immer in vielen Teilen zerstörte Ahrtal kein geeigneter Ort, an dem Menschen aus einem Kriegsgebiet Kraft und neuen Mut schöpfen können. Zugleich sind die nicht von der Flut betroffenen Kommunen im Rahmen des Aufbaus stark involviert und leisten Außergewöhnliches.
Der Kompromiss mit dem Land umfasst daher, dass Familienangehörige aus der Ukraine aufgenommen werden können, wenn die dauerhafte Unterbringung im eigenen Haushalt gewährleistet ist. Andere Anträge auf Wohnungsmeldung sowie eine Aufenthaltserlaubnis nach § 24 des Aufenthaltsgesetzes können die Städte, Verbandsgemeinden, die Gemeinde und der Landkreis nicht annehmen. Es erfolgt eine Weitervermittlung an eine Aufnahmeeinrichtung des Landes.
Eine organisierte, koordinierte und bedarfsgerechte Weitervermittlung über die offizielle Aufnahmeeinrichtung für Asylbegehrende (AfA) in Trier ist zum jetzigen Zeitpunkt in vielen Fällen die beste Lösung, um den Geflüchteten gerecht werden zu können. Daher appellieren das Land, der Kreis und die Kommunen, nur dann Geflüchtete aufzunehmen, wenn sichergestellt werden kann, dass sie längerfristig in einem geschützten familiären Umfeld leben können. Dies schließt nicht nur die Unterkunft, sondern auch das soziale Leben (Kita, Schule, Ausbildung, Vereine, etc.) mit ein.
Staatssekretär David Profit unterstreicht: „Gerne unterstütze ich den Vorschlag des Landkreises. Es zeigt wahre Größe der Menschen und der Kommunalpolitik im Landkreis Ahrweiler, dass sie acht Monate nach der Flut Menschen aus der Ukraine helfen.“
Weitergehende Informationen
Die rheinland-pfälzische Landesregierung stellt auf der Seite www.ukraine.rlp.de sind in ukrainischer und russischer Sprache verfügbar.
Auch Inhalte von www.Germany4Ukraine.de sind dort verlinkt. Germany4Ukraine ist das offizielle Hilfeportal der Bundesregierung und anerkannter Hilfsorganisationen. Hier werden Informationen zu Aufenthaltsstatus, zur Suche nach Unterkunftsmöglichkeiten außerhalb des Landkreises Ahrweiler sowie zur medizinischen Versorgung in Deutschland in vier Sprachen zur Verfügung gestellt.