Werbung

Spendengelder und Hilfsgüter mit 4 Transporten ins Kriegsgebiet

Beamte der Polizei: Hilfe im Wert von 364.000 € an Ukraine durch Hilfskonvoi Andernach

Okt 16, 2022 | Region Aktuell

Andernach. Als man unmittelbar nach Kriegsausbruch Anfang März 2022 die Idee entwickelte, der Zivilbevölkerung in der Ukraine in ihrer Not irgendwie helfen zu wollen, konnte niemand des heute aus 14 Personen bestehenden Hilfskonvois Andernach vorhersehen, was man 214 Tage später bilanzieren würde.

„Wir hatten anfänglich gehofft, mit etwas Glück 2.000€ an Spendengeldern sammeln und so die vorfinanzierten Hilfsgüter der ersten spontanen Tour (04.-06.03.2022) bezahlen zu können“, so Marcel Gasteier. Dank der unfassbaren Spendenbereitschaft lokaler Unternehmen und vieler Privatpersonen war man sich schnell bewusst, dass es keine einmalige Hilfsaktion bleiben konnte. Die im Rahmen der ersten Fahrt geknüpften Kontakte innerhalb eines weltweiten Polizeinetzwerkes sowie zu anderen privaten Hilfsorganisationen ermöglichte ab Mitte März, die Geldspenden so gezielt wie möglich einsetzen zu können. „Anhand konkreter Bedarfslisten und zwischenzeitlich bekannter Anlaufstellen konnten wir die Hilfsgüter bereits beim zweiten Konvoi (18.-20.03.2022) auf ukrainischer Seite unmittelbar übergeben“, erinnert sich Daniel Schneider. Nachhaltig beeindruckt hat das Team die Einreise in ein Kriegsland sowie die Erlebnisse außerhalb der Staatsgrenze der EU. Die administrativen Prozesse (die bereits Wochen vor der Tour erfolgen müssen), die Anzahl und Genauigkeit der Grenzkontrollen, das Gefühl beim Grenzübertritt, die Bilder der überfüllten Bahnhöfe, Sporthallen etc. im Grenzgebiet, die unzähligen Gespräche mit Geflüchteten… all das lässt sich kaum in Worte fassen.
Man wurde im Frühling 2022 oft mit der Frage konfrontiert, ob man sich des Risikos bewusst sei und warum man dies auf sich nehme. „Uns ist klar, dass es riskant ist. Aber was ist das Risiko gegen so viele Menschenleben, die der Krieg kostet“, sagte Nina Keul bereits im März in einem Interview mit TV Mittelrhein. Besser könnte man die Motivation des Teams nicht in Worte fassen.

Der mit den Konvois verbundene Aufwand – neben der eigentlichen Fahrt insbesondere Buchhaltung, Einkauf, Logistik, Rückabwicklung – waren zweifelsfrei zeitliche Belastungen, die es neben Job und sozialem Umfeld auszuhalten galt. So war sich das Team einig, mit der dritten Tour (22.-24.04.2022) die Aktion zu beenden. Schließlich hatte man innerhalb weniger Wochen nahezu 100.000€ gesammelt und dank der Großzügigkeit einiger Unternehmen beim Einkauf den Warenwert mehr als verdoppeln können. Zudem konnte man neun Personen sowie eine Katze aus dem Kriegsgebiet evakuieren und in der Heimatregion sicher unterbringen.

Bis zum Spätsommer 2022 zeichnete sich allerdings ab, dass das eigens eingerichtete Treuhandkonto wieder so gefüllt war, dass eine lokale Spende nicht dem Zweck der privaten Initiative entsprochen hätte. „Die hohe Spendenbereitschaft ist sicher auch darauf zurück zu führen, dass wir vom Einkauf bis zur Übergabe im kleinen Team alles selbst organisiert haben. Genau das ist auch unser Anspruch gewesen“, so Sven Welter. Tatsächlich wurden sogar die Mietkosten für die LKW / Transporter, die Treibstoffkosten, sowie die Verpflegung des Teams größtenteils von Sponsoren getragen. Der pauschal klingende Slogan auf einem der Flyer des Andernacher Hilfskonvois „Jeder Cent kommt an“ wurde bei dieser Aktion stets gelebt.

Für eine größtmögliche Transparenz wurden frühzeitig eigene Instagram- und Facebook-Seiten eingerichtet („hilfskonvoi_ukraine_andernach“). Die ständigen „Beiträge“, „Story’s“ und „Reel’s“ (Videobotschaften) sollten alle mit auf die Touren nehmen, Eindrücke des Erlebten vermitteln und – ganz wichtig – zeigen, wofür die Spendengelder ausgegeben wurden. Zusammenfassend waren das insbesondere Medikamente / Arzneimittel, medizinische Geräte, Hygieneartikel für Erwachsene und Kinder, haltbare Nahrungsmittel, Schlafsäcke und Isomatten, Thermounterwäsche, Taschen- und Stirnlampen, Batterien, Powerbanks und Tabletten zur Wasseraufbereitung.

Mit solchen Hilfsgütern im Wert von ca. 30.000€ im Gepäck ging man im Zeitraum 29.09.2022 – 02.10.2022 nun ein viertes Mal auf Tour. Nach drei Touren mit einer Fülle an Erlebnissen, die das fünfköpfige Kernteam bereits im Rucksack hatte fühlte man sich bestens vorbereitet. Mit dem „Kommissar Zufall“, der in der Vergangenheit überwiegend Wetter und Verkehr beeinflusste konnte man stets gut umgehen. Dieses Mal kam jedoch einiges anders als erwartet…

Nach einer durchaus intensiven 15 stündigen Fahrt nach Krakau ging es am frühen Samstagvormittag auf der zweiten Etappe wie geplant an die polnisch-ukrainische Grenze. Hier wurden im Rahmen der Zollkontrolle – eine von vielen Kontrollen im wenige hundert Meter umfassenden Transitbereich – erstmals intensivere Diskussionen über Art und Gewicht der Hilfsgüter geführt. In solchen Stunden des Wartens und Diskutierens kommt durchaus mal die Sinnfrage auf, insbesondere, weil man dem Land und der Bevölkerung doch eigentlich nur helfen möchte. Auch hier zeigt die Erfahrung: Ruhe bewahren und freundlich bleiben sind die Allheilmittel, um die Einreise nicht zu gefährden. So auch in diesem Fall: Am Nachmittag war die Einreise erfolgreich bewältigt, die Reisepässe hatten ihren dritten ukrainischen Stempel. Umgarnt von dem Gefühl der Sicherheit wurde bei dieser Tour der Übergabepunkt nicht in unmittelbarer Grenzregion, sondern am Logistikzentrum der ukrainischen Hilfsorganisation gewählt. Dies ersparte schließlich ein mehrfaches Umladen. Während sich der LKW bereits unmittelbar auf den Weg nach Kiew machte, wurde das Team nach getaner Arbeit als Dank zum Essen in ein lokales Restaurant mit regionalen Speisen eingeladen. Die Zeit in der Ukraine fühlte sich trotz der vom Krieg gezeichneten Landschaft, den unzähligen schwerbewaffneten Militärposten und des bunkerähnlichen Speiseraums ein Stück weit an wie Normalität. Die ukrainischen Kontaktleute, die längst zu Vertrauten geworden sind, genossen dies spürbar. In Anbetracht der täglich zu verarbeiteten Geschehnisse in ihrer geliebten Heimat scheint dies mehr als nachvollziehbar zu sein.

Nach dem Verlassen des Restaurants wurde der sonst so besonnene und krisenerfahrene ukrainische Kontaktmann plötzlich hektisch. Ein Luftalarm im Westen der Ukraine, der zweite seit Kriegsbeginn in dieser Region, war nicht zu überhören. Damit hatte selbst er an diesem Tag nicht gerechnet. Äußerliche Ruhe und innerliche Angespanntheit begleiteten das Team auf der Rückfahrt zur Grenze – Geschwindigkeitsbeschränkungen spielten keine Rolle mehr, außer beim Passieren der militärischen Grenzposten. Am späten Nachmittag war der aufwändige Einreiseprozess zurück in die EU (Polen) gemeistert – Erleichterung machte sich breit. Am späten Abend war das zweite Etappenziel Oswiecim (zu Deutsch: Auschwitz) erreicht.

Der Feiertag (03.10.) machte es möglich, nicht wie gewohnt nach der zweiten kurzen Nacht unmittelbar gen Heimat aufbrechen zu müssen. Eine geführte Besichtigung des Museums, der Gedenkstätte und des Konzentrationslagers Auschwitz hatte man sich zum Abschluss vorgenommen. Auch diese 3 ½ Stunden wird man wohl so schnell nicht mehr vergessen.

„Wir hatten bereits vor Beginn der Führung durchaus Ehrfurcht vor dem, was uns dort erwartet. Persönliche Einblicke sind nun mal etwas völlig anderes als Texte, Bilder und Gespräche, die wir alle als Erfahrung mit in diesen Tag gebracht haben“, berichtet Thomas Welsch. Obwohl die Besichtigung inhaltlich losgelöst von dem Hilfskonvoi in die Ukraine gebucht wurde, hatte sie dennoch etwas Verbindendes.

Hat die Menschheit nach den Gräueltaten des NS-Regimes denn nichts gelernt?

Diese oder ähnliche Fragen wird sich wohl jeder des Teams gestellt haben, nachdem man mit den persönlichen Eindrücken aus der Ukraine den Worten der Germanistin in Auschwitz folgte. So war die ca. 1.000km umfassende Rückreise nach Andernach am Sonntagabend von ungewöhnlicher Stille in den Fahrzeugen geprägt. „Solche Erlebnisse machen zwangsläufig sehr betroffen. In diesen Augenblicken merkt man einmal mehr, welches Glück man selbst hat, wohlbehütet aufgewachsen zu sein und in Sicherheit leben zu dürfen. Es bestärkte uns aber nochmal in unserem Tun, den Menschen in der Ukraine ein Stück von diesem Glück abgeben zu können“, resümiert Welsch.

Als Fazit nach dieser letzten 66-stündigen Tour bleiben: 114.531,66€ an gesammelten Spendengeldern, überbrachte Hilfsgüter im Wert von ca. 250.000€, neun evakuierte Menschen, ca. 10.000 gefahrene Kilometer, neue Freundschaften, ein gutes, aber auch bedrückendes Gefühl und eine Einladung zu einem 3-tägigen Besuch nach Lemberg nach Kriegsende. Es bleibt zu hoffen, dass Letzteres nicht allzu lange auf sich warten lassen muss.

Werbung

Weitere Meldungen aus dem Brohltal